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Ê KULTUR

Ein leerer Rahmen im Museum
 
Die Klimt-Bilder (darunter die "Goldene Adele"), die an Maria Altmann und weitere Erben zurŸckgegeben werden, wurden am Montag abgehŠngt.
 

Ein leerer Rahmen an der Wand. Davor drei Tafeln mit der Chronologie zur Causa Bloch-Bauer. Neben den Rahmen hŠngen zwei Arbeiter gerade fŸnf kleine Reproduktionen an die Wand. Sie zeigen jene fŸnf Bilder, die noch bis Sonntag im "Klimt-Raum" zu sehen waren.
Dienstag Vormittag in der …sterreichischen Galerie Belvedere. Der erste Tag, an dem das Museum gešffnet hat und fŸnf seiner wertvollsten Bilder fŸr die …ffentlichkeit nicht mehr zu sehen sind. Die Klimt-Bilder (darunter die "Goldene Adele"), die an Maria Altmann und weitere Erben zurŸckgegeben werden, wurden am Montag abgehŠngt. Nach dem riesigen Besucheransturm am vergangenen Wochenende ist das Belvedere an diesem Tag nur spŠrlich besucht.

Zeichen

"Das ist unser Statement dazu, dass die Bilder nicht ersetzbar sind", erklŠrt Museumssprecherin Sigrid Sprung, warum der Rahmen, in dem die "Goldene Adele" gehangen hat, leer an der Wand geblieben ist. Auf der FlŠche schrŠg gegenŸber, an der die restlichen vier Bilder zuletzt hingen, finden sich nun drei andere Klimts (Allee, Adam und Eva, Mohnwiese). Im Nebenraum wurde ein Klimt aus dem Depot geholt (Nach dem Regen). Elf der insgesamt noch 22 Klimt-Bilder im Besitz des Belvederes werden derzeit gezeigt.
"Ich bin tief beeindruckt, auch wenn es schade ist, dass die fŸnf fehlen", meint ein italienisch sprechender Besucher. Nachsatz: "DafŸr habt ihr ja die Saliera wieder".
Bilder von "solcher Bedeutung mŸssten alle in Staatsbesitz sein, damit jeder sie sehen kann", ist Familie Strohbach aus Bremen Ÿberzeugt.

Trauer

"Wir sind alle traurig, dass die Bilder weg sind", sagt Restauratorin Elisabeth Foissner mit Blick auf die Reproduktionen. Die Kunstwerke wurden von ihr und den Kollegen bereits untersucht, SchŠden hat man keine entdeckt. Jetzt wartet man auf Anweisungen der Besitzer, um die Bilder fachgerecht fŸr den Transport zu verpacken.
Ruhe nach dem Sturm herrscht im Museumsshop. "Poster, BŸcher, Postkarten, Briefbeschwerer mit Klimtmotiven Ð alles ging am Sonntag weg wie die warmen Semmeln", erzŠhlt die Dame an der Kassa. Jetzt wird Nachschub in die Regale gerŠumt.
Rechtlich ist, salopp formuliert, die Weiterverwertung der GemŠlde auf diversen Artikeln kein Thema: Das Urheberrecht an einem Werk der bildenden KŸnste erlischt 70 Jahre nach Tod des Urhebers. Klimt starb 1918.
 
 

Klimt - keine vernŸnftige Investition
Der Ankauf der Jugendstil-Bilder durch …sterreich wŠre aus škonomischer Sicht nicht zu vertreten gewesen

Wie hoch ist der Wert eines Kunstwerkes wie etwa Gustav Klimts Bild ãAdele Bloch-Bauer IÒ nun wirklich? Foto: apa
Von Erich W. Streissler
 …sterreich hat noch immer genug Klimt zu zeigen.
 Der Wert ist der Mode unterworfen.
 Der Liebhaberwert ist nicht der
škonomische Wert.
"Es ist ein grober Fehler, dass …sterreich die Klimt-Bilder nicht ankauft. Ich fŸrchte, man wei§ nicht, worauf man verzichtet", so zitiert die "Wiener Zeitung" vom 4. Februar meinen hochverehrten Kollegen, den eminenten Kunsthistoriker Artur Rosenauer.

Ich fŸrchte, in diesem Fall wei§ ich als Fachvertreter der …konomie zumindest ebensosehr wie er, worauf "man verzichtet": nŠmlich auf eine zusŠtzliche Staatsausgabe von mindestens 200, neuerdings hei§t es sogar 250, Millionen Euro. Letzteres wŠre ein volles Tausendstel des fŸr 2006 zu erwartenden šsterreichischen Bruttosozialprodukts - ein Betrag, der keineswegs klein ist, sondern als zusŠtzliche Staatsausgabe bereits das "Maastricht Defizit" des LŠndchens …sterreich merklich ansteigen lie§e.

Oder, wenn man einen Ankauf der fŸnf Klimt-Bilder durch einen gleichmŠ§igen Beitrag aller …sterreicher finanzieren wollte: "Vom Baby bis zum Gro§papa" hŠtte jeder …sterreicher 30 Euro zu bezahlen. In einer Demokratie geht es darum, ob die Steuerzahler bereit sind, diesen durchaus nicht geringen Betrag aufzubringen Ð was sie sowohl mŸ§ten, wenn sie sofort zahlen sollten, als auch dann, wenn die endgŸltige Zahlung durch Kredite hinausgeschoben wŸrde.

Budgets sind stets knapp bemessen

"Budgets belasten die Kunst" klagte kŸrzlich der Museumsdirektor Peter Noever. NatŸrlich, und keineswegs nur die Kunst! Budgets werden nach AbwŠgung aller Bedarfe erstellt, die um knappe Mittel konkurrieren. Deshalb sind Budgets naturgemŠ§ beschrŠnkt, sind stets knapp. Um 200 Millionen Euro in einen anderen Vergleichsrahmen zu stellen: Die neuerdings geplante Elite-UniversitŠt soll jŠhrlich mit 40 Millionen Euro dotiert werden, mit der genannten Summe fŸr die Klimt-Bilder also volle fŸnf Jahre lang betrieben werden.

Und ein gro§zŸgiger Donau-Ausbau soll, wie die "Wiener Zeitung" soeben berichtete, 500 Millionen Euro kosten. Mit anderen Worten: Ein gewaltiges Infrastrukturprogramm Ÿber viele Jahre wird mit nicht mehr als dem Zweieinhalbfachen des "Klimt-Betrages" veranschlagt.

Noch einmal anders: 200 Millionen Euro sind die gegenwŠrtigen Brutto-Jahreseinkommen von 6.600 (!) durchschnittlichen Einwohnern …sterreichs.

Betrachten wir den Weggang der fŸnf Klimt-GemŠlde nicht aus meinem škonomischen Blickwinkel, sondern aus dem des Kunstgenusses und dem von Rosenauers Fach, der Kunstgeschichte.

Was Šndert sich durch diesen Weggang? Fast gar nichts. Es ist ja nicht so, da§ die nunmehrige EigentŸmerin diese Bilder in einem diabolischen Feuer vernichten oder an unzugŠnglichem Ort vor den Augen interessierter Betrachter verbergen wird. Sie wird sie entweder verkaufen, mšglicherweise an eine šffentlich zugŠngliche Sammlung, oder sie zwar behalten, aber dann wohl, schon zur Finanzierung der Versicherungskosten, abwechselnd an verschiedenen Orten ausstellen, vielleicht sogar sie alle zehn Jahre zu einem unvergleichlich bescheideneren Betrag, als es die erwŠhnte Ankaufssumme wŠre, in Mitteleuropa ausstellen.

…sterreicher werden fortan zwar weiter reisen mŸssen, um die Bilder zu betrachten, aber vielleicht nicht einmal das, weil sie im Zuge ihrer zahlreichen Auslandsreisen einen neuerlichen "Klimt-Besuch" leicht an gegebenem Ort einbauen kšnnen. Andere WeltbŸrger kŠmen vielfach durch nunmehr kŸrzere Reisen in den erwŸnschten Kunstgenu§. Und Kunsthistoriker? Reisen gehšren zu ihrer typischen Berufsbelastung.

Eine LŸcke, die verschmerzbar ist

Und wenn wir die Dinge nicht kunsthistorisch, sondern škonomisch betrachten? Die abwandernden fŸnf Klimt-Bilder hinterlassen, wie sich jedermann noch soeben vergewissern konnte, zwar eine schmerzliche LŸcke im Belvedere, aber eben nur eine LŸcke in einem immer noch erheblichen Bestand Šhnlicher Klimt-Bilder. Wird der Weggang einiger Klimt-GemŠlde die Fremdenverkehrseinnahmen …sterreichs reduzieren? Sicherlich so gut wie nicht: In Wien bleiben ja selbst fŸr diejenigen, die sich auf Klimt kaprizieren, noch mehrere seiner Hauptwerke.

Erst recht trifft der Weggang alle diejenigen nicht, die das sonstige Kunstangebot Wiens ohnehin ŸberwŠltigend (im Sinne von nicht bewŠltigbar) finden. Der Fremdenverkehrswert der abwandernden Klimt-Bilder ist also wenig von null verschieden.

Benvenuto Cellinis "Saliera", so versicherten uns die Zeitungen, war zur Zeit ihrer Entwendung auf 50 Millionen Euro versichert. Es ist anzunehmen, da§ die Versicherer das fŸr ihren wirtschaftlichen SchŠtzwert hielten. Dann wŠre dieser ein Viertel der Summe, die jetzt fŸr die Klimt-Bilder kolportiert wird. Vergleichsweise sind die geforderten Geldwerte der "Klimts" also ungewšhnlich hoch.

Der Wirtschaftshistoriker wei§, dass KŸnstler, die im Moment besonders in Mode sind - im Moment: denn vor einem halben Jahrhundert krŠhte kaum ein Hahn nach Klimt - dass also modische KŸnstler rasch an Wert verlieren kšnnen.

Vor 150 Jahren wollte jeder englische Schlo§besitzer einen Claude Lorrain an der Wand hŠngen haben, um stolz beim Fenster hinausweisend dem Besucher im eigenen Landschaftsgarten ein Šhnliches Panorama weisen zu kšnnen; wenig spŠter hatten "Claudes" nicht ein Zehntel ihres frŸheren Wertes.

Wissen wir, ob in weiteren 150 Jahren Damen, die von Blumen oder Goldmosaiken kaum zu trennen sind, noch in Mode sein werden? Eher nicht. Das aber wŸrde zŠhlen, wenn der in seinen Entscheidungen auf Langfristigkeit verpflichtete Staat kaufen soll.

Der moderne …konom unterscheidet (z.B. in der Versteigerungstheorie) "private values" und "common values". "Private values", das wŠren Liebhaberwerte.

Wenn ein Kunsthistoriker in Liebhaberwerten bewertet, so spricht das fŸr ihn.

Der Preis hŠngt vom Liebhaberwert ab

Um aber den Preis von 200 Millionen Euro aufzubringen, mŸ§te der Kunsthistoriker den oder die weiteren Liebhaber finden, die, durch sein Expertenurteil Ÿberzeugt, die Summe zu zahlen bereit und fŠhig sind. FŸr die Allgemeinheit, und erst recht fŸr den demokratischen Staat, zŠhlen hingegen nur "common values", die Bewertung in den Augen der zahlungswilligen Allgemeinheit. FŸr GeschŠftsleute als PrivateigentŸmer ist wichtiger Bestandteil der "common values" auch noch der wahrscheinliche Wiederverkaufswert.

Staaten jedoch verkaufen KunstgegenstŠnde kaum je, so da§ im gegebenen Fall dieser Teil des allgemeinen Wertes entfŠllt. Hier zŠhlen nur, entsprechend kapitalisiert, die Summen, die …sterreicher und AuslŠnder zu zahlen bereit wŠren, wenn die genannten fŸnf Klimt-Bilder zusŠtzlich zu den anderen KunstschŠtzen in Wien weiter hier blieben, sowie die zusŠtzlichen Gewinne der Hotellerie und der šsterreichischen Verkehrsunternehmen aus der Anreise, nur um diese Bilder zu sehen.

Wenn diese kapitalisierten Summen auch nur ein Zwanzigstel des geforderten Kaufbetrages von rund 200 Millionen ausmachen sollten, wŸrde das einen …konomen hšchlichst erstaunen.
 

Mittwoch, 08. Februar 2006